Ohne Lehrer keine Lehre? In der Nachfolge des Buddha ...Dreiteilige Vortragsreihe
2. Dezember 2014

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Dreiteilige Vortragsreihe, am 02. Dezember 2014, 16. Dezember 2014 und 06. Januar 2015, Universität Hamburg
Die buddhistische Überlieferung berichtet, dass der Buddha, bevor er aus dem Leben schied, keinen persönlichen Nachfolger benannte.
»Es könnte ja wohl sein, Ananda, dass euch der Gedanke käme: ›Dahin ist des Lehrers Wort. Wir haben keinen Lehrer mehr.‹ Nicht aber, Ananda, ist das so zu verstehen. Die Lehre, Ananda, und die Ordensregeln, die ich euch gezeigt …, die ist nach meinem Dahin-scheiden euer Lehrer.«
Nichtsdestotrotz erfordert jede religiöse Tradition charismatische Lehrer, Denker und Organisatoren, um den Fortbestand der Lehre zu garantieren und den neuen gesellschaftlichen und geistigen Entwicklungen anzupassen. Gilt das für die Schulen des Buddhismus weniger als für andere religiöse Traditionen? Die Vortragsreihe wird sich dieser und anderen Frage stellen und Licht auf die Bedeutung buddhistischer Persönlichkeiten werfen ― sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart. Gibt es in den unterschiedlichen Kulturkreisen des Buddhismus typische Profile von Persönlichkeiten, die vorliegen müssen, um Führungsansprüche innerhalb der buddhistischen Traditionen aber auch darüber hinaus geltend machen zu können? Lassen sich allgemeine Kriterien finden, die herausragende buddhistische Persönlichkeiten einst und heute auszeichnen und sie im Lichte der Anhänger als einen würdigen Nachfolger des Buddha erscheinen lassen? Mit Vorträgen zu wichtigen Fallbeispielen aus Ostasien, Tibet und Thailand von drei internationalen Experten der Buddhismusforschung wird versucht, Antworten auf diese Fragen zu geben.
Teil I, 2. Dezember 2014
Spione, Charismatiker oder Opportunisten? Chinesische Zen-Meister im mittelalterlichen Japan
Frei und autonom; unkonventionell und ikonoklastisch ― so stellt man sich im Allgemeinen einen Zen-Meister vor. Der reiche Fundus an Anekdoten, die von solchen exzentrischen Persönlichkeiten erzählen, redet diesen Zuschreibungen das Wort, und die Rhetorik der Übermittlung des authentischen dharma von Herz zu Herz lässt ihrerseits keinen Raum für ein Tun, das sich nicht einzig und allein am Erwachen orientiert. Andererseits sieht sich der Buddhismus durch seine Geschichte hindurch mit spezifischen Situationen und soziopolitischen Entwicklungen konfrontiert, in denen die Vermittlungstätigkeit seiner Repräsentanten über Gedeih und Verderb der Tradition entscheidet. Die Laufbahnen chinesischer Zen-Meister, die im 13. und 14. Jahrhundert nach Japan kamen, bieten hier reiches Anschauungsmaterial: Sie wurden als Heilsfiguren mit offenen Armen willkommen geheißen oder entgingen nur knapp der Todesstrafe; genossen als Äbte der großen Klosterkomplexe von Kamakura und Kyoto höchstes Ansehen oder wurden an die Peripherie verbannt. Welche Beweggründe sie überhaupt nach Japan gebracht hatten, wie sie dort empfangen wurden, tätig waren und weiterwirkten, beleuchten ihre Schriften und Biografien, die im Rahmen des Vortrags exemplarisch vorgestellt und untersucht werden sollen.
Dr. Steffen Döll ist wissenschaftlicher Assistent am Japan-Zentrum der Universität München, wo er zur Geschichte des ostasiatischen Buddhismus und der modernen japanischen Philosophie forscht und lehrt. Sein Interesse gilt insbesondere Transferprozessen zwischen China und Japan sowie jenen kulturellen Formen, in denen das Selbstverständnis der buddhistischen Tradition Niederschlag gefunden hat. Im Sommersemester 2013 war Döll Numata-Professor am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg.
Termin: Dienstag, den 2. Dezember 2014, 18:15 – 19:45 Uhr
Veranstaltungsort: Universität Hamburg, Asien-Afrika-Institut, Edmund-Siemers-Allee 1, Ostflügel, Raum 221. Der Eintritt ist frei.
Teil II, 16. Dezember 2014
Von Yogis, Mönchen und Tulkus: Was machte Buddhisten in Tibet zu prägenden Figuren?
Obwohl sowohl die Geschichte als auch die bedeutenden Persönlichkeiten Tibets bereits in den Grundzügen erforscht sind, ist der Frage, was genau eine religiös prägende Figur in Tibet ausmachte, bisher kaum Beachtung geschenkt worden. In diesem Vortrag soll dieses Themenfeld eröffnet und den folgenden Fragen nachgegangen werden: Was waren die (überlieferten) Merkmale einer religiös prägenden Persönlichkeit? Welche Rahmenbedingungen waren für die Entwicklung und Anerkennung einer solchen Persönlichkeit notwendig und inwiefern sind diese Merkmale überhaupt an einer Persönlichkeit festzumachen? Um diese Fragen zu beantworten, sollen zunächst die festgelegten kulturellen Rollen vorgestellt werden: der verrückte Yogi, der gelehrte Mönch und der wiedergeborene Lama. Dazu werden relevante Quellen besprochen und neue Forschungsansätze erörtert.
Dr. Jim Rheingans studierte Tibetologie, Indologie und Ethnologie in Heidelberg und Hamburg, seinen Magisterabschluss erhielt er 2004 an der Universität Hamburg. Er promovierte als Stipendiat der Bath Spa University über „The Eighth Karmapa’s Life and his Interpretation of the Great Seal“. Nach einem weiteren Jahr Forschung an der Universität Hamburg war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Forschung und Lehre für Tibetstudien an der Universität Bonn tätig. Seit 2011 arbeitet er in einem DFG geförderten Projekt zur Entstehung und Überlieferung eines tibetischen Textkorpus an der Universität Hamburg. Seine Forschungsinteressen sind tibetische Literatur und Genre (insbesondere narrative Texte), die Geschichte Tibets sowie Doktrin und Praxis der tibetischen mahāmudrā-Traditionen. Methodologisch ergänzt er philologisch-historische Herangehensweisen mit Elementen der Literaturwissenschaften. Jim Rheingans setzt sich zudem seit Jahren für die Ausbildung junger Tibetologen ein.
Termin: Dienstag, den 16. Dezember 2014, 18:15 – 19:45 Uhr
Veranstaltungsort: Universität Hamburg, Asien-Afrika-Institut, Edmund-Siemers-Allee 1, Ostflügel, Raum 221. Der Eintritt ist frei.
Teil 3, 06. Januar 2015
Gelehrtentum, Meditation und Hierarchie in den Biographien dreier außergewöhnlicher Mönche im thailändischen Buddhismus der Moderne
InIn dem Vortrag werden die Biografien der bekannten thailändischen Mönche Somdet Phra Buddhaghosajarn Jaroen Ñāṇavaro (1872-1951), Luang Pu Man Bhūridatto (1870-1949) und Phra Brahmagunabhorn P. A. Payutto (geb. 1939) untersucht werden. Die hohe Verehrung, die diesen drei Mönchen von weiten Teilen der monastischen Gemeinschaft aber auch von Laienanhänger entgegengebracht wird, hat mehrere und teilweise sehr unterschiedliche Gründe. Während sich Somdet Phra Buddhaghosajarns Biografie unter anderem durch eine außergewöhnliche administrative Karriere aber auch hohes Gelehrtentum auszeichnet, wird von Luang Pu Man angenommen, dass er nach langer, intensiver und abgeschiedener Meditation das vollständige Erwachen erreicht hat. Phra Payutto hingegen wird insbesondere aufgrund seines enormen Wissens hinsichtlich der buddhistischen Schriften und der Prinzipienfestigkeit seiner mönchischen Lebensführung als echter bzw. wirklich guter Mönch verehrt. Neben einer eingehenden und vergleichenden Analyse dieser und weiterer Gründe für die Verehrung dieser drei Mönche wird der Vortrag auch darstellen, wie sich in den Augen thailändischer Buddhisten die Außergewöhnlichkeit verehrungswürdiger Praktizierender nicht nur in deren Verhalten und Schriften, sondern auch in besonderen körperlichen Merkmalen manifestiert und begründet.
Dr. Martin Seeger lehrt und forscht als Associate Professor of Thai Studies an der School of Languages, Cultures and Societies der University of Leeds, Großbritannien. Von 1997 bis 2000 war er als Mönch im Norden Thailands in der theravada-buddhistischen Tradition ordiniert. Nach seinem Austritt aus dem Orden studierte er die Fächer Thaiistik und Buddhismuskunde an der Universität Hamburg (Magister 2001, Promotion 2004). Seine Forschungsinteressen sind die Biographien und das religiöse Schaffen der thailändischen buddhistischen Denker und Praktizierenden Somdet Phra Buddhaghosajarn Jaroen Ñānavaro (1872-1951), Buddhadāsa Bhikkhu (1906-1993), Phra Payutto (b. 1939), Khunying Yai Damrongthammasan (1886-1944) und Khun Mae Bunruean Tongbuntoem (1895-1964). Darüberhinaus hat er sich mit den folgenden Themen beschäftigt: thailändischer Buddhismus und Umweltschutz, Menschenrechte aus der Sicht des thailändischen Buddhismus und Entwicklungsmönche im Nordosten Thailands. Zurzeit arbeitet er an einem langfristigen Forschungsprojekt über die hagiographischen Texte weiblicher Praktizierender im thailändischen Buddhismus der Moderne.
Termin: Dienstag, den 6. Januar 2015, 18:15 – 19:45 Uhr
Veranstaltungsort: Universität Hamburg, Asien-Afrika-Institut, Edmund-Siemers-Allee 1, Ostflügel, Raum 221. Der Eintritt ist frei.